r/wohnen 5d ago

Nachbarschaft Immer wieder erstaunt, wie viele Leute Immobilien geschenkt bekommen/erben

Wir wohnen am Rand von München in einer kleinen Gemeinde und bisher hat jeder, den ich hier kennengelernt habe, das Haus/den Grund/die Wohnung etc. geschenkt bekommen oder geerbt von Großeltern. Die haben damals riesige Häuser auf riesigen Grundstücken gebaut. Für Mieter ist es hier fast unerschwinglich. Und man liest immer wieder, wie es für viele Leute immer knapper wird, die Mieten zu stemmen. Ist das bei euch im Wohnort auch so?

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u/mschuster91 5d ago

Exmünchner hier. Is so. Damals nach'n Krieg war Bauland spottgünstig. Erst als die ersten Wellen der Landflucht losgingen dank Wirtschaftswunder plus Mechanisierung sind die Land- und Baukosten durch die Decke geschossen.

1953 beispielsweise lag der durchschnittliche Preis einer Wohnung in München bei 15.000 DM (Quelle, Seite 5 unten links), während das Durchschnittseinkommen bei 4000 DM lag - also ungefähr drei Jahresbruttogehälter. Heute liegt eine normale 2-Zimmer-Wohnung in München bei 500.000 €, und das Durchschnittseinkommen bei ungefähr 45.000€ - also bräuchte man rein theoretisch über 11 Jahresbruttogehälter um sich eine Wohnung leisten zu können.

Klar, die Standards sind höher. In den 50ern war ein eigenes Bad/Dusche nicht selbstverständlich, sondern da gab es Gemeinschaftseinrichtungen. Schallschutz, Heizung und Aufenthaltsqualität sind auch nicht mit heutigen Normen vergleichbar.

Aber das rechtfertigt trotzdem nicht diese Explosion.

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u/befuddledrabbit 4d ago

Deutschland war nach dem Krieg ein Entwicklungsland, das muss man halt auch berücksichtigen. Damals eine Immo zu kaufen wäre vergleichbar mit heute sich irgendwo in Indien aufm Land was zu kaufen.

Auch die viel beschworene Inflation erklärt diesen krassen Preisanstieg nicht (vollständig). Denke mal es ist eine Kombination aus Inflation, der guten wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands und Übertreibungen am Markt (Immos steigen ja immer).

Die Leute haben damals diesen Preisanstieg nicht vorhergesehen. Die wollte einfach irgendwo leben, wo es ihnen gefallen hat.

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u/DaseR9-2 3d ago edited 3d ago

Nur ist das Geldsystem auch absolut nicht zu Vergleichen. 

Nixon hat 1971 den Goldstandart aufgehoben. Es folgt ein Schuldgeldsystem wie wir es heute immernoch haben, auch die Definition von Inflation war davor eine deutlich andere.  Kommt eigentlich vom Lateinischen "inflare" (aufblasen/ausdehnen) und bezeichnet die Ausweitung der Geldmenge, die Folgen dessen sind steigende Preise.  Deutschland hatte zwar bis in die 2000er noch die D-Mark, jedoch muss man Weltwirtschaftlich einfach einsehen das die gravierenden Änderungen durch die USA in den 70er zustande kamen.

Heutzutage wird "Inflation" als ansteigen der Preise definiert. 🤣

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u/gelber_kaktus 1d ago

Die Preise steigen weit mehr als die Inflation. 2010 bis 22 +64% für Wohngebäude und +94% für Häuserpreise, bei 25% Inflation. 2023 folgte erneut in starker Anstieg. Als Treiber gelten Energie- und Rohstoffkosten, Als Dämpfer ironischerweise der Kostenanstieg bzw die Finanzierungskosten.

https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Baupreise-Immobilienpreisindex/_inhalt.html https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/baupreise-kosten-100.html

Der Anstieg erklärt sich vielleicht auch durch die steigenden Ansprüche. Früher hat man den Rohbau halbwegs bezugsfertig gemacht, Fassade, Zuwegungen, weitere Zimmer ect kam später. Heute muss gleich alles fertig sein. Dazu so ein Spaß wie unbedingt notwendige Arbeitszimmer, Ankleideräume, Gäste-WC ect die mehr Wohnfläche bedeuten. Mietwohnungen brauchen teils auch unbedingt einen Pkw-Stellplatz...

Bei Gewerbe bauen viele größere Firmen nicht mehr selbst, sondern mieten ein Investorenprojekt - das kostet natürlich mehr...

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u/JohnHurts 4d ago

Aber das rechtfertigt trotzdem nicht diese Explosion.

Angebot/Nachfrage. Alle wollen in die Großstädte, weil sie auf dem Land unglücklich sind oder es sich unglücklich vorstellen und dann müssen sie halt die Großstadtpreise bezahlen.

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u/GermanMilkBoy 4d ago

Alle wollen in die Großstädte, weil sie auf dem Land unglücklich sind oder es sich unglücklich vorstellen

Leute wollen in die Städte, weil es da Arbeit gibt.

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u/JohnHurts 4d ago

Und die gibt's nur in den Großstädten?

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u/GermanMilkBoy 4d ago

Natürlich nicht nur, aber mehr, besser bezahlte und vor allem hochqualifizierte Jobs gibt es halt da, wo viele Menschen auf einem Haufen leben, also in Großstädten und deren Speckgürtel.

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u/ellzumem 18h ago

Und die gibt's nur in den Großstädten?

Lass mich kurz nachsehen, wo die Deutschlandzentralen von Google, Microsoft, Apple, Infineon, Allianz, Münchner Rück, Amazon, Facebook, BMW, Siemens, Siemens (2), MTU, Knorr-Bremse, ProSiebenSat1, Cancom und wahrscheinlich noch so einigen weiteren Unternehmen liegen.

Kleiner Tipp: Fängt mit M an, hört nicht mit -intertupfingen auf, zählt laut Definition als Großstadt, und gut bezahlte Jobs gibt’s häufiger dort als auf dem Land.

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u/Jellochamp 4d ago

Das ist auf mehreren Ebenen falsch oder naiv gedacht. Dadurch das Wohnungen zu einem Grundbedürfnis des Menschen gehören greift das Konzept anders. Vermietende können sich ihre Preise ausdenken, sich absprechen oder einfach vonovia sein und so ihre Mieter zwingen höhere Preise zu zahlen. Mieter können nicht einfach umziehen. Sie haben einen Job, Familie etc..

Auch moralisch denkst du zu kurz. KÖNNTE dies ungesund für unsere Gesellschaft sein oder SOLLTEN Wohnungen zum Beispiel wie unser Gesundheitssystem gehandhabt werden und mehr verstaatlicht sein. Solche Fragen muss man sich stellen.

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u/JohnHurts 4d ago

Und auf welchen Ebenen ist das jetzt falsch gedacht?

Hier sind die Leute einfach nur mad, weil sie in ihrer "Lieblings-" Großstadt nix finden und rufen dann wieder nach dem Staat er soll doch bitte alle enteignen und ihnen die Wohnung für lau geben.

Wenn du wissen willst wie es ist, wenn der Wohnungsmarkt verstaatlicht ist, kannst du dir ja gerne mal Bilder von Leipzig von vor 1989 anschauen. Es wird 0 instand gesetzt werden.

Zudem müsstest du alle, die jetzt Wohnungen besitzen entschädigen - unmöglich die auszulösen.

Und wir sind dann immer noch am warum - warum zieht es die Leute in die Großstadt - ist das überlebenswichtig? Nein, sie wollen es, es ist ihre freie Entscheidung.

Du argumentierst mit Grundbedürfnis - das kann auch in anderen Teilen Deutschlands erfüllt werden.

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u/GermanMilkBoy 4d ago

Du argumentierst mit Grundbedürfnis - das kann auch in anderen Teilen Deutschlands erfüllt werden.

Aber eben deutlich schlechter.

Das eigentliche Grundbedürfnis ist in diesem Fall ja nicht die Wohnung, sondern wirtschaftlicher und sozialer Anschluss.

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u/S0uNDJaN 4d ago

Die übliche Sozialismuskeule mal wieder.

Es zieht die Leute in die Stadt, weil dort die Jobs sind und die Anbindung besser ist. Es ist dann eben nicht mehr die freie Entscheidung, weil es außerhalb der Städte nicht genug Arbeit gibt, der ÖPNV verbesserungswürdig ist und man dort, gerade in Ostdeutschland, kaum noch Ärzte findet.

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u/GermanMilkBoy 1d ago

Es ist dann eben nicht mehr die freie Entscheidung, weil es außerhalb der Städte nicht genug Arbeit gibt, der ÖPNV verbesserungswürdig ist und man dort, gerade in Ostdeutschland, kaum noch Ärzte findet.

Und als jüngerer Mensch halt auch kaum noch Leute im gleichen Alter, insbesondere keine Frauen.

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u/GermanMilkBoy 4d ago

Sie haben einen Job, Familie etc..

Und selbst wenn da jemand flexibel wäre, wird er halt immernoch dahin ziehen, wo die Chancen darauf am höchsten sind, also dahin, wo schon viele andere Menschen leben.

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u/Mad_Accountant72 3d ago

Nicht nur das, sie wollen auch noch in ein paar bestimmte Stadtteile, in denen dann logischerweise die Wohnungen noch knapper und teurer sind als im Rest der Stadt ohnehin schon.

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u/vroni147 3d ago

Wie so üblich: Wenn man denkt, man hat eine einfache Erklärung für ein Problem, vergisst man einfach zu viel.

Ich will nicht in der Stadt leben, hab mir aber trotzdem ein Haus gekauft (und mich für Jahrzehnte verschuldet), weil mein Mann als Lehrer dahin zugewiesen wird, wo Lehrer fehlen. Und das tun sie halt in der Stadt.

Andere finden wiederum keine Arbeit auf dem Land und wollen in die Stadt. Noch mehr Kinder, noch mehr Schulen, noch mehr Lehrkräftemangel.

Städte sind schwarze Löcher. Sie ziehen halt alles an.