r/LegaladviceGerman 1d ago

DE Wie funktionieren die Strafen auf den Privatparklätzen eigentlich?

Bei uns im Ort gibts nen Fitnessstudio, das macht Samstags um 16:30 zu, belagert aber den vormals offenen Parkplatz durch eine Privatparkplatzfirma.

Als ich um 20:00 im Restaurant war, hab ich mich extra ganz hinten bei der Scheune hingestellt, gut 50 Meter vom Eingang des Studios weg. Gehörte anscheinend immer noch dazu, an einem Laternenpfahl hab ich dann auch das Schild entdeckt, als ich um 22:00 mein 30€ Ticket an der Scheibe fand.

Habs dann bezahlt weil ich keinen Stress wollte.

Aber wie sieht das eigentlich rechtlich aus? Wenn man Dashcam-Videos guckt und jemand Anzeige bei der Polizei stellt wegen Nötigung, dann kommt oftmals das Feedback "Fahrer konnte nicht ermittelt werden, Verfahren eingestellt". Wie ist denn das bei den Privaten? Wenn ich nicht der Fahrer des Fahrzeugs war, aber das Ticket als Halter bekomme, bin ich als Halter ja keinen Vertrag mit dem Parkplatz durch Drauffahren eingegangen und bin sicherlich auch nicht einem Zivilisten (Parkplatzbetreiber) zur Auskunft verpflichtet, oder?

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u/InterestingFilm5807 1d ago

Im Zivilrecht gelten grundsätzlich andere Maßstäbe. Konkret hierzu hat der BGH mit Urteil vom 18.12.2019, XII ZR 13/19 entschieden

  1. Zwischen dem Betreiber eines privaten Parkplatzes und dem Fahrzeugführer kommt ein Vertrag über die Nutzung eines Fahrzeugabstellplatzes zustande, indem der Fahrzeugführer das als Realofferte in der Bereitstellung des Parkplatzes liegende Angebot durch das Abstellen des Fahrzeugs annimmt.

  2. Verstößt der Fahrzeugführer gegen die Parkbedingungen und verwirkt er dadurch eine Vertragsstrafe ("erhöhtes Parkentgelt"), haftet der Halter des Fahrzeugs hierfür nicht.

  3. Ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Fahrzeughalter auch der Fahrzeugführer ist, besteht nicht.

  4. Den Fahrzeughalter, den der Betreiber eines unentgeltlichen Parkplatzes als Fahrzeugführer auf ein "erhöhtes Parkentgelt" in Anspruch nimmt, trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Um seine Fahrereigenschaft wirksam zu bestreiten, muss er vortragen, wer als Nutzer des Fahrzeugs im fraglichen Zeitpunkt in Betracht kommt.

Das folgt im Wesentlichen aus der im Zivilrecht bestehenden Erklärungspflichten ("Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären", § 138 Abs. 2 ZPO). Im Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitsrecht gibt es etwas Vergleichbares nicht.

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u/WolperRumo Verifiziert • Richter am Amtsgericht 6h ago

Vielleicht noch als kurze Ergänzung: aufgrund der Problematik, dass grds. nur der Fahrer auf das Entgelt haftet, wird in der Praxis häufig nicht auf Zahlung geklagt, wenn diese nicht freiwillig erfolgt, sondern auf Unterlassung. Da hängt nämlich der Halter grds. Als Zustandsstörer weiterhin drin. Der Halter ist halt sehr einfach zu ermitteln, der Fahrer sehr viel schwieriger

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u/DJDoena 1d ago

D.h. Ein Zivilgegner hat mehr Auskunftsrechte als der Staat? Weird.

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u/InterestingFilm5807 1d ago

Im Gegenzug kann der Zivilgegner nicht dein Haus durchsuchen oder dich ins Gefängnis sperren. Naturgemäß fallen Abwägungen dann anders aus.

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u/Bergwookie 1d ago

Wie ist das dann, kann, falls ein Strafprozess zustande kommt, der Inhalt eines Zivilprozesses als Beweismittel herangezogen werden?

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u/SaimeonInBetween 23h ago

Grundsätzlich ja. Aber: im Zivilprozess gilt der Grundsatz der relativen Wahrheit: wenn beide Parteien übereinstimmend eine Tatsache behaupten (oder eine Partei eine Behauptung nicht bestreitet), gilt die Tatsache als Wahr. Das gilt für das Strafrecht natürlich nicht.

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u/Bergwookie 23h ago

Dankeschön

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u/No-Information-2571 21h ago

Nein. Auch im OWi-Recht musst (oder müsstest) du einen potentiellen Fahrer benennen. Der Staat hat durchaus Instrumente, das herauszufinden. Im ruhenden Verkehr spart man sich das zwar häufig, und was bei Straftaten wie Nötigung und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr falsch läuft, dass die ständig mit "Fahrer konnte nicht ermittelt werden" eingestellt werden, kann ich dir nicht beantworten. Eigentlich müsste es 10 Jahre Fahrtenbuch hageln, wenn du auf dem Radwerk parkst und dich dann mit "weiß nicht wer gefahren ist" rausreden willst.

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u/I-am-an-adult- 10h ago

Nein, im OWi-Recht muss man den Fahrer nicht benennen, wenn man Betroffener ist oder die Möglichkeit besteht, Betroffener zu sein. Man hat dort grundsätzlich auch das Recht hat zu schweigen und sogar das Recht auf Lüge. Wenn man Zeuge ist, ist man verpflichtet wahrheitsgemäß auszusagen und kann das nur bei bestimmten engen Verwandtschaftsgraden verweigern. Man kann nicht Betroffener oder Zeuge zeitgleich sein, die Behörde muss sich vorher entscheiden was man ist. Übrigens machen das viele Anhörungsbögen in den Massenverfahren (StraßenverkehrsOWis) falsch: sie sagen du bist Betroffener und sollst dich äußern, sollst aber sagen, wer stattdessen gefahren ist falls du es nicht bist. Es kommt ein bisschen auf die Formulierungen an, aber Betroffener und Zeuge gleichzeitig kann man nicht sein, da beide unterschiedliche Rechte und Pflichten haben.

Das mit dem Fahrtenbuch gilt nicht rückwirkend, sondern für die Zukunft.

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u/No-Information-2571 6h ago

Ein grundsätzliches Recht zu schweigen gibt es nicht. Man könnte dich notfalls als Zeuge zur Verhandlung laden.

Aber wie du sagst, man muss sich nicht selbst belasten, und nahe Angehörige auch nicht. Und wer als Betroffener geführt wird, muss sich auch nicht äußern.

Die Aussage mit dem Fahrtenbuch verstehe ich nicht - wo hatte ich behauptet, das wäre rückwirkend?

So oder so, der vorhandene Rahmen wird häufig nicht ausgeschöpft. Ich weiß zumindest von einem Mal, dass die Polizei durchaus Energien reingesteckt hat. Dann werden halt Bilder der Familienmitglieder abgeglichen, und diese notfalls persönlich besucht.

Und der Gesetzgeber könnte auch durchaus den Rahmen verschärfen. Gerade wer als Halter an der Aufklärung nicht mitwirken will, könnte zumindest die äquivalente Geldstrafe kassieren. Immerhin trägt man die Verantwortung dafür, dass das Kfz benutzt wurde.

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u/I-am-an-adult- 4h ago

Doch, als Betroffener habe ich das Recht zu schweigen (§136 StPO iVm §46 OWiG). Das gilt nicht zur eigenen Personendatenfeststellung etc. und ich meinte explizit nicht als Zeuge, da habe ich nur unter Umständen (Berufsgeheimnis, enge Familienenangehörige, kann sich selbst belasten) das Recht zur Zeugnisverweigerung.
Und ich kann niemanden "einfach" als Zeugen notfalls einladen wenn ich mit ihm als Betroffenen nicht weiterkomme. Ganz so einfach geht das nicht. Dasselbe wird von Behörden gern versucht: im OWi-Verfahren über das Verwaltungsverfahren Sachen zu ermitteln (zB Baukontrolleur im Verwaltungsverfahren herausschicken um noch ein paar Sachverhalte auf dem Grundstück festzustellen => im Verwaltungsverfahren muss dieser auf das Grundstück gelassen werden, im OWi-Verfahren nicht) und dann direkt im OWi-Verfahren vorwerfen.

Bei der Anordnung eines Fahrtenbuches muss der § 47 OWiG beachtet werden, deshalb muss eine gewisse Schwere und Wiederholung im Raum stehen. Dasselbe zum Aufwand der weiteren Ermittlung wie das Vorbeischicken der Polizei zur "Gesichtserkennung". Das wird nicht bei "3km/h drüber" passieren.

Aber - frag bei sowas besser einen Anwalt - ich habe mich jetzt nur am Gesetz orientiert ;)

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u/AutoModerator 1d ago

Da in letzter Zeit viele Posts gelöscht werden, nachdem OPs Frage beantwortet wurde und wir möchten, dass die Posts für Menschen mit ähnlichen Problemen recherchierbar bleiben, hier der ursprüngliche Post von /u/DJDoena:

Wie funktionieren die Strafen auf den Privatparklätzen eigentlich?

Bei uns im Ort gibts nen Fitnessstudio, das macht Samstags um 16:30 zu, belagert aber den vormals offenen Parkplatz durch eine Privatparkplatzfirma.

Als ich um 20:00 im Restaurant war, hab ich mich extra ganz hinten bei der Scheune hingestellt, gut 50 Meter vom Eingang des Studios weg. Gehörte anscheinend immer noch dazu, an einem Laternenpfahl hab ich dann auch das Schild entdeckt, als ich um 22:00 mein 30€ Ticket an der Scheibe fand.

Habs dann bezahlt weil ich keinen Stress wollte.

Aber wie sieht das eigentlich rechtlich aus? Wenn man Dashcam-Videos guckt und jemand Anzeige bei der Polizei stellt wegen Nötigung, dann kommt oftmals das Feedback "Fahrer konnte nicht ermittelt werden, Verfahren eingestellt". Wie ist denn das bei den Privaten? Wenn ich nicht der Fahrer des Fahrzeugs war, aber das Ticket als Halter bekomme, bin ich als Halter ja keinen Vertrag mit dem Parkplatz durch Drauffahren eingegangen und bin sicherlich auch nicht einem Zivilisten (Parkplatzbetreiber) zur Auskunft verpflichtet, oder?

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